Vertrauen und Misstrauen in Medien, Politik und Gesellschaft

Shownotes

Ein gewisses Maß an Vertrauen in Medien und Politik bildet die Basis einer Gesellschaft. Mit Narrativen wie „wir gegen die anderen“ schaffen es Populismus und Extremismus immer öfter, Misstrauen zwischen Menschen zu säen. Wie beeinflusst diese Entwicklung aktuell die Demokratie und das Gemeinwesen? Diesen und andern Fragen geht die Professorin Nayla Fawzi in ihrer Forschung und im Gespräch mit Lawrence Meinig nach.

Musik: • Clean Logo von Sugar Beats (premiumbeat.com) • Glide - Modern Electric Logo von MVM Productions (premiumbeat.com) • Just Cruisin' von Sky Toes (premiumbeat.com)

Moderator: Lawrence Meinig

Mehr zum Thema unter folgenden Links: Forschungspofil der Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Professorin Nayla Fawzi] (https://digi-komm.ifp.uni-mainz.de/team/prof-dr-nayla-fawzi/)) Forschungspodcast

Transkript anzeigen

00:00:07: Vertrauen ist die Grundlage jeder funktionierenden Gesellschaft.

00:00:12: Aber vertrauen wir uns überhaupt gegenseitig?

00:00:18: Vertrauen und Misstrauen in Medien, Politik und Gesellschaft.

00:00:24: Mainz auf Mainz - der Gutenberg-Talk.

00:00:27: Ein Forschungspodcast der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

00:00:34: Herzlich willkommen zum Forschungspodcast der JGU.

00:00:37: Mein Name ist Lawrence Meinig und ich freue mich sehr, Sie durch das Format zu führen.

00:00:42: In dieser Podcastreihe eröffne ich Ihnen das Tor zur Welt der Wissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

00:00:48: Ich nehme Sie mit auf eine Entdeckungsreise zu den unterschiedlichsten Disziplinen und deren wissenschaftlichen Themen und Fragestellungen.

00:00:56: Gemeinsam lernen wir die Forschenden der Universität kennen.

00:00:59: Wie arbeiten sie und welche Erkenntnisse gewinnen sie?

00:01:04: In dieser Folge widmen wir uns der Frage, wie es um unser gegenseitiges Vertrauen bestellt ist.

00:01:09: Menschen sprechen häufig von Vertrauen als Basis einer Gesellschaft.

00:01:14: Dabei werden wir heute aber merken, dass dieses Vertrauen sehr unterschiedlich verteilt ist.

00:01:19: Mein heutiger Gast ist Professorin Nayla Fawzi.

00:01:22: Sie ist Professorin für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Demokratie und digitale Kommunikation am Institut für Publizistik der JGU.

00:01:32: In ihrer Forschung beschäftigt sie sich bevorzugt mit der Rolle journalistischer und sozialer Medien in der Demokratie.

00:01:39: Auch Auswirkungen des digitalen Wandels für das Verhältnis zwischen Politik, Medien und Bevölkerung sowie die politische Mediennutzung von Jugendlichen gehören zu ihren

00:01:49: Schwerpunkten.

00:01:54: Hallo Professorin Fawzi, schön, dass Sie dabei sind.

00:01:56: Ich freue mich, hier zu sein.

00:01:58: Sie haben in den letzten Jahren das Vertrauen und auch das Misstrauen zwischen Bevölkerung, Politik und Medien untersucht.

00:02:06: Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse zu diesem Verhältnis?

00:02:10: Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis ist, dass Vertrauen sehr viel stabiler ist, als es häufig angenommen wird und es vor allem im öffentlichen Diskurs auch vermittelt wird.

00:02:19: Also selbst Journalisten und Journalistinnen sprechen häufig von der sogenannten Medienvertrauenskrise.

00:02:25: Aber wir sehen, dass derzeit etwa knapp 50 Prozent den Medien bei wichtigen Dingen vertrauen.

00:02:32: 20 Prozent haben geringes oder kein Vertrauen.

00:02:36: Wenn man sich das eben im Langzeitvergleich anschaut, sehen wir, dass es schon immer eine Gruppe gibt, die den Medien geringes Vertrauen entgegenbringt und diese Gruppe nicht

00:02:45: gewachsen ist.

00:02:46: Im Gegenteil, in den 80er, 90er Jahren war diese Gruppe sogar größer als heute.

00:02:52: Das heißt, seit Aufkommen des Internets ist das Vertrauen sogar eher gestiegen.

00:02:56: Es gibt immer wieder Schwankungen, aber insgesamt ist es doch erstaunlich stabil.

00:03:02: Was sich verändert hat oder woher dieser Diskurs vielleicht zustande kommt, ist, dass die

00:03:06: unzufriedene Gruppe natürlich heute ganz andere Möglichkeiten hat, zum Beispiel in sozialen Medien, ihre Kritik öffentlich zu äußern.

00:03:13: Der Ton hat sich sicherlich verschärft.

00:03:16: Also wir sehen auch gerade in der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen, dass allein in den letzten drei Jahren die wahrgenommene Verrohung der öffentlichen Debatte sehr stark

00:03:26: zugenommen hat.

00:03:27: Das heißt, die Menschen haben sich einfach andere Möglichkeiten, sich hier ihre Unzufriedenheit öffentlich zu äußern.

00:03:33: Das ist ein Unterschied, als wenn man das wie früher vielleicht am Stammtisch

00:03:36: geäußert hat.

00:03:38: Und ein ganz zentraler Unterschied ist, dass diese Menschen natürlich auch ganz andere Möglichkeiten haben, sich in alternativen Quellen zu informieren.

00:03:46: Was wir aber auch sehen, ist, dass das Vertrauen in die Medienberichterstattung zu bestimmten Themen ganz unterschiedlich ausfällt.

00:03:53: Also beispielsweise ist das Vertrauen in die Berichterstattung über Israel und Gaza unterdurchschnittlich gering, ebenso zum Thema Migration, also beides

00:04:03: viel niedriger als das Vertrauen in andere Themen wie zum Beispiel Klimawandel.

00:04:09: Das heißt also hier sehen wir, dass durchaus Fehlleistungen in der Berichterstattung beobachtet werden, beispielsweise eine einseitige Berichterstattung kritisiert wird.

00:04:19: Deswegen hat das natürlich heute eine ganz andere Qualität und andere Folgen für den für Meinungsbildungsprozesse und für die öffentliche Debatte.

00:04:28: Faszinierendes Thema.

00:04:29: Ich finde Ihre Ergebnisse da total spannend und wir haben jetzt ja schon diese drei Gruppen aufgemacht mit Medien, Bevölkerung und Politik.

00:04:38: Und inwieweit ergibt es Sinn, diese drei Gruppen so trennscharf zu definieren?

00:04:42: Ich meine, in der Wissenschaft untersuchen Sie ja klassischerweise sehr kleinteilig und warum definieren Sie in diesem Fall so einheitlich unterschiedliche Gruppen?

00:04:51: Medien, Bevölkerung, Politik.

00:04:52: Das ist das klassische Akteursdreieck der politischen Kommunikationsforschung, was wir untersuchen.

00:04:58: Und das sind so die drei zentralen Gruppen natürlich auch in der Demokratie.

00:05:01: Die Analyse deren Beziehungen ist wichtig, um Aussagen, beispielsweise über den Zustand unserer Demokratie, zu treffen.

00:05:07: Und natürlich gibt es da Grenzbereiche und vor allem haben sich im Bereich der Medienlandschaft, aber auch im politischen System starke Veränderungen entwickelt.

00:05:16: Allein Stichwort digitaler Medienwandel.

00:05:19: Das heißt,

00:05:20: es ist gar nicht mehr so einfach zu definieren, was ist zum Beispiel eigentlich Journalismus und was ist kein Journalismus mehr.

00:05:25: Trotzdem sind diese Beziehungen wichtig, wie gesagt, um Aussagen gerade zu treffen, wie responsiv ist eigentlich Medien und sind Medien und Politik.

00:05:36: Und was wir in dem Projekt jetzt gemacht haben, ist uns alle drei Gruppen gleichzeitig anzuschauen.

00:05:42: Also bisherige Forschung hat sich sehr häufig auf die Beziehungen zwischen zwei der Gruppen konzentriert, beispielsweise Journalismus-

00:05:48: Publikum.

00:05:48: Und in unserem Projekt ging es jetzt eben darum, diese Gruppen gleichzeitig und deren wechselseitigen Perspektiven aufeinander anzuschauen, was bislang nämlich auch häufig

00:05:58: vernachlässigt wurde, so die Perspektive der medialen und politischen Elite auf die Bevölkerung,

00:06:03: also welches Bild haben sie eigentlich von der Bevölkerung?

00:06:07: Sie haben dann im Verlauf eben auch das Vertrauen über die Jahre darstellen können in Ihrer Forschung.

00:06:14: Ich habe mich gefragt, welche Ereignisse hatten dann Einfluss darauf, auf diese Höhen und Tiefen, wie sich Vertrauen entwickelt hat, jetzt gerade in den letzten Jahren?

00:06:22: Also das wirklich kausal zu zeigen, ist für uns schwierig, aber was wir schon so im Langzeitvergleich sehen, wie gesagt, ist, dass mit dem Aufkommen des Internets das

00:06:33: Vertrauen eher so ein bisschen gestiegen ist. Was sicherlich ein Knackpunkt war, wo auch dann auch die Forschung angestiegen ist, heißt die Lügenpresse-Debatte, angefangen so etwa 2015.

00:06:45: Was wir vielleicht auch sehen ist,

00:06:49: dass Ereignisse, wie beispielsweise Skandale im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den letzten Jahren, erstaunlich wenig Einfluss auf das Medienvertrauen haben.

00:06:59: Also das Vertrauen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist leicht gesunken, aber auch deutlich weniger als öffentlich häufig vermutet wird.

00:07:07: Corona war natürlich auch ein ganz zentraler Knackpunkt im Vertrauen.

00:07:12: Auch hier können wir sehen, dass wir in Teilen der Gesellschaft, gewissen Bevölkerungsgruppen

00:07:17: eine stärke ablehnende Haltung gegen den Medien haben.

00:07:21: Wir haben aber auch hier zu Beginn der Corona-Pandemie gesehen, dass das Vertrauen erst mal gestiegen ist.

00:07:27: Also das Bedürfnis aufgrund der großen Unsicherheit zu Beginn der Pandemie nach zuverlässigen Informationen erst einmal gestiegen ist und damit auch das Vertrauen in journalistische

00:07:36: Medien gewachsen ist.

00:07:38: Also so sieht die gesamtgesellschaftliche Entwicklung aus, aber wir sehen auch, dass in der Gruppe der Misstrauischen

00:07:45: wir seitdem eine Radikalisierung beobachten können.

00:07:48: Die Personen stammen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, aber insbesondere aus rechtsextremen Milieus.

00:07:55: Hinsichtlich des Medienvertrauens bei populistischen oder auch rechtsextremen Personen sehen wir, dass das Vertrauen sich durchaus deutlich unterscheidet.

00:08:04: Also als Beispiel 15 Prozent der AfD-Anhängerinnen und Anhänger haben ein hohes Vertrauen in journalistische Medien.

00:08:11: Bei der SPD sind es dagegen 60.

00:08:14: Also diese deutlichen Unterschiede zeigen sich vor allem auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der ein ganz zentrales Feindbild im Rechtspopulismus und auch für Extremisten

00:08:23: ist.

00:08:24: Wir sehen aber, dass diese Personen sich insgesamt sehr kritisch äußern, also auch gegenüber Nachrichten auf sozialen Medien oder Alternativmedien geben sie ein relativ

00:08:32: geringes Vertrauen an und das verdeutlicht auch noch mal, dass Medienvertrauen, Politik und Demokratievertrauen miteinander zusammenhängen und ein

00:08:43: gewisses Level an Vertrauen für das Funktionieren einer Demokratie notwendig ist.

00:08:52: Alternative Medien nehmen heute eine wichtige Rolle in der Medienlandschaft ein.

00:08:57: Doch was genau bedeutet dieser Begriff?

00:09:00: Der Journalartikel "Key Dimensions of Alternative News Media" von 2019 liefert hier einen guten Einblick.

00:09:09: In der modernen Forschung versteht man darunter Medienangebote, die sich explizit als Alternative oder gar als Gegenmodell zu etablierten Medien positionieren.

00:09:21: Häufig richten sie sich gegen den sogenannten Mainstream, wozu aus ihrer Sicht auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt.

00:09:29: Dieser wird in solchen Diskursen oftmals pauschal als verlängerter Arm politischer Eliten dargestellt, angeblich abhängig von der Regierung und deshalb nicht in der Lage, kritisch

00:09:40: über sie zu berichten.

00:09:43: Charakteristisch für viele dieser alternativen Angebote ist, dass sie eine bestimmte politische Agenda verfolgen und dabei oft auf journalistische Qualitätsstandards

00:09:53: verzichten.

00:09:55: In der aktuellen kommunikationswissenschaftlichen Forschung werden sie häufig mit populistischen oder rechtsgerichteten, teils auch rechtsextremen Inhalten in Verbindung

00:10:05: gebracht.

00:10:07: Dazu zählen auch Verschwörungserzählungen, Wissenschaftsskepsis

00:10:11: oder ausländerfeindliche Narrative.

00:10:15: Interessant ist, dass der Begriff der alternativen Medien ursprünglich eine andere Bedeutung hatte.

00:10:22: Zu Beginn dieser Form der Medienforschung bezog er sich vor allem auf linke, progressive Projekte, die sich etwa mit patriarchalen Strukturen auseinandersetzten.

00:10:32: Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich dieser Fokus allerdings grundlegend verschoben.

00:10:43: Jetzt habe ich mich gefragt, oder besser gesagt mir ist aufgefallen während meiner Recherche, dass oft zwischen Medienskepsis und Medienzynismus unterschieden wird.

00:10:53: Können Sie uns diese beiden Begriffe erklären und auch sagen, warum es so wichtig ist, diese beiden Begriffe zu unterscheiden?

00:11:00: Es ist aus vielerlei Gründen wichtig.

00:11:02: Es ist einmal wichtig festzuhalten, dass Skepsis eine kritische Grundhaltung beschreibt gegenüber den Medien.

00:11:09: In der ganzen Debatte ist wichtig festzuhalten, blindes Vertrauen in die Medien, das ist gar nicht wünschenswert.

00:11:16: Also man möchte eigentlich aufgeklärte, kritische Bürger und Bürgerinnen, die das, was sie in Journalismus lesen, auch kritisch hinterfragen.

00:11:25: Das ist eine skeptische Grundhaltung.

00:11:28: Zynismus dagegen ist so eine

00:11:29: ablehnende Haltung gegenüber journalistischen Medien, die auch die Legitimität von Medien in Frage stellt.

00:11:37: Also am Beispiel von Fehlern lässt sich das vielleicht ganz gut verdeutlichen.

00:11:41: Wenn im Journalismus Fehler gemacht werden oder wenn Kritik geäußert wird, dann wollen skeptische Bürger und Bürgerinnen im Idealfall den Journalismus besser machen mit ihrer

00:11:51: Kritik.

00:11:51: Und sie sind sich auch darüber bewusst, dass Fehler passieren.

00:11:55: Journalisten, Journalisten sind auch nur

00:11:58: Menschen. Während Menschen mit medienzynischen Einstellungen dann hinter diesen Fehlern beispielsweise das System vermuten.

00:12:05: Dann eben, Stichwort Lügenpresse, systematische Lügen gegenüber der Bevölkerung vermuten und auch deren Kritik dann nicht unbedingt darauf abzielen, Journalismus besser zu machen

00:12:18: und hier Kritik zu äußern, sondern vor allem Medien als legitime Institution in der Demokratie zu diskreditieren.

00:12:26: Und was wir auch sehen und deswegen ist diese Unterscheidung auch wichtig, ist, dass skeptische Grundhaltungen eher mit höherem Vertrauen einhergehen, während zynische

00:12:36: Einstellungen entsprechend natürlich mit geringem Medienvertrauen.

00:12:41: Für mein Empfinden ist das eine extrem wichtige Unterscheidung, die wir selten machen, wenn ich das richtig betrachte.

00:12:46: Gerade wenn wir von Misstrauen sprechen als Überbegriff.

00:12:49: Wenn wir jetzt von diesem Thema ausgehen, welche Rolle spielt denn Populismus bei diesen Unterscheidungen?

00:12:56: Eine ganz wichtige Rolle, weil wir sehen können, dass gerade rechtspopulistische Einstellungen sehr stark mit Medienzynismus zusammenhängen.

00:13:05: Vielleicht muss man auch erst mal sagen, dass Populismus ein sehr schwieriger Begriff ist.

00:13:09: Er wird in der Alltagssprache, auch im Journalismus, in der Politik häufig anders verwendet als in der Wissenschaft.

00:13:15: In der Wissenschaft gibt es auch unterschiedliche Definitionen.

00:13:20: Ein dominantes Verständnis ist, dass Populismus als dünne Ideologie verstanden wird, die die Gesellschaft in zwei sich feindlich gegenüber stehende Gruppen definiert.

00:13:31: Auf der einen Seite das gute, wahre Volk, auf der anderen Seite die böse, korrupte Elite.

00:13:37: Und wenn man das als ein Weltbild versteht, also das Populismus tritt nicht nur auf Seiten von Politiker und Politikerinnen auf, sondern eben auch auf Seite

00:13:47: der Bevölkerung, dass sind dann Menschen eben die populistischen Einstellungen haben,

00:13:52: wenn man diese Einstellung hat, wir gegen die da oben sozusagen, dann werden Medien auch als Teil einer abgehobenen Elite wahrgenommen, die die Interessen dieses wahren Volkes

00:14:04: missachtet. Und entsprechend führt das dann eher zu diesen medienzynischen Einstellungen, häufig auch glaubt, dass Medien und Politik unter einer Decke stecken.

00:14:15: Ein zweite Merkmal von Populismus ist die Annahme eines homogenen Volkes.

00:14:20: Das lässt sich ganz gut mit dem Slogan "Wir sind das Volk" erklären.

00:14:24: Also die Annahme, meine Einstellung, meine politischen Einstellungen sind Mehrheitsmeinungen und das ist das wahre Volk.

00:14:34: Und dieser antipluralistische Charakter von Populismus, der passt natürlich auch nicht gut zu den normativen Erwartungen an Medien, möglichst vielfältig, möglichst

00:14:45: pluralistisch zu berichten.

00:14:48: Und im nächsten Schritt führt auch diese Annahme eines homogenen Volkes dazu, gerade im Rechtspopulismus, dass bestimmte Gruppen aus diesen Volkswellen ausgeschlossen werden.

00:14:58: Das können religiöse, kulturelle Minderheiten sein.

00:15:01: Und hier wird den Medien dann häufig vorgeworfen und auch der Politik diese Gruppen zu bevorzugten, zu positiv über diese Gruppen zu berichten.

00:15:10: Und das verstärkt dann natürlich auch nochmal sehr negative Einstellungen gegenüber den Medien.

00:15:15: Also letzten Endes hat dann Populismus in dem Sinne eigentlich auch viel mit Gruppierungen zu tun.

00:15:21: Wer sind wir und wer sind die anderen? ... Soziale Identität auch ...

00:15:24: Und dann wird auch aus diesen drei Gruppen, die Sie definiert haben, in Ihrer Forschung werden auf einmal zwei, weil die Medien und die Politik dann eins sind.

00:15:32: Aus deren Perspektive, ja.

00:15:35: Das ist interessant.

00:15:37: Und das ist dann natürlich ein fließender Übergang zum Rechtsextremismus.

00:15:40: Hier sind Medien ein noch viel stärkeres Feindbild.

00:15:43: Also die Angriffe auf den Rechtsstaat, auf demokratische Institutionen, die wir hier sehen, beinhalten eben auch freie Medien.

00:15:50: Das sehen wir sehr deutlich bei der AfD.

00:15:53: Hier ist die Delegitimierung der Medien Teil ihrer politischen Strategie mit dem Ziel, Misstrauen in der Bevölkerung zu schüren.

00:16:02: Das sehen wir auch zum Beispiel bei Donald Trump, der schon in seiner ersten Amtszeit Medien als

00:16:06: "Enemy of the People" bezeichnet hat und jetzt beispielsweise in Pressekonferenzen etablierte Medien und Nachrichtenagenturen ausschließt, gleichzeitig alternative Medien

00:16:19: mit einer klaren politischen Position bevorzugt.

00:16:22: Etwa die Hälfte der Bevölkerung vertraut in Deutschland auf etablierte Nachrichtenmedien.

00:16:28: Und wir können natürlich auch davon ausgehen, dass diese Medien den wesentlichen Anteil der Vermittlung von Ereignissen, ob jetzt politisch oder nicht, haben.

00:16:36: Und das ist ja eine immense Verantwortung.

00:16:38: Aber wem vertraut dann die andere Hälfte, wenn nicht diesen etablierten Medien?

00:16:43: Einmal noch mal wichtig festzuhalten, dass die Deutschen sehr stark differenzieren in ihrem Medienvertrauen.

00:16:49: Also so das höchste Vertrauen genießt mit Abstand der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

00:16:53: Die Tageszeitungen, Nachrichten in Boulevard-Medien, auf sozialen Medien werden in der Gesamtgruppe nur sehr, sehr geringes Vertrauen entgegengebracht.

00:17:02: Was wir schon sehen, ist, dass es deutliche Unterschiede gibt in, also je extremer beispielsweise die politischen Einstellungen, umso stärker dann das Vertrauen in

00:17:13: beispielsweise alternative Nachrichtenquellen.

00:17:16: Das können wir durchaus sehen.

00:17:18: Aber auch hier ist nochmal wichtig festzuhalten, dass Alternativmedien, das wird ja auch in der öffentlichen Debatte gerade sehr viel diskutiert, insgesamt in Deutschland immer

00:17:30: noch eine relativ geringe Reichweite haben.

00:17:32: Also etwa fünf Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen Alternativmedien regelmäßig.

00:17:38: Vielleicht noch ein Punkt, was nämlich auch wichtig ist, ist bei dieser ganzen Frage, dass

00:17:42: wir auch schon sehen, dass jetzt zum Beispiel Menschen mit rechtspopulistischen Einstellungen auch kein total niedriges Vertrauen beispielsweise in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

00:17:53: haben, aber eben Vertrauen und Nutzung nicht unbedingt das Gleiche sind.

00:17:57: Das ist vielleicht auch noch wichtig hinzuzufügen.

00:18:00: Das sehen wir vor allem auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in der Regel relativ hohes Vertrauen in Qualitätsmedien haben, aber das sind nicht unbedingt die Medien, in

00:18:11: denen sie sich vorwiegend

00:18:12: informieren.

00:18:13: Also das heißt, sie wissen ganz genau, das haben wir in qualitativen Interviews auch gesehen, die wir mit Jugendlichen durchgeführt haben, dass sie in öffentlich-rechtlichen

00:18:23: Medien, Tageszeitungen ein sehr hohes Vertrauen haben, aber dann doch sagen, wenn sie sich politisch informieren, dann spielen die teilweise nur eine untergeordnete Rolle und sie

00:18:34: wenden sich dann häufiger InfluencerInnen zu, weil sie hier die Nähe an ihrer Lebenswelt sind, andere Sprache

00:18:41: verwenden und authentischer finden.

00:18:43: Sie sind zusammen mit anderen WissenschaftlerInnen außerdem zu dem Ergebnis gekommen, dass das Medienvertrauen, wie Sie schon erwähnt haben, während der Pandemie eher gestiegen ist.

00:18:53: Und das hat mich ziemlich überrascht.

00:18:55: Ich hätte es eher anders herum erwartet.

00:18:57: Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

00:18:59: Ich habe es ja schon angesprochen.

00:19:01: Also wir erklären das damit, dass diese große Unsicherheit zu Beginn der Pandemie dazu geführt hat, dass ein sehr hohes Bedürfnis nach zuverlässigen Informationen da war und

00:19:13: dadurch dann auch die Wertschätzung für journalistische Medien gestiegen ist.

00:19:19: Wichtig ist zu sagen, dass das Vertrauen dann auch direkt danach wieder abgesunken ist, allerdings nicht niedriger als vor Corona.

00:19:26: Also wir sind wieder so auf dem Level wie

00:19:28: vor der Pandemie.

00:19:30: Und das Ähnliche haben wir auch für politisches Vertrauen gesehen.

00:19:33: Also auch hier haben wir zu Beginn eine Zunahme an Vertrauen beobachten können, die dann wieder auf das Niveau von vor der Pandemie gesunken ist.

00:19:44: Welche Themen polarisieren denn gerade aktuell vielleicht eher am stärksten, wenn es um Vertrauen zwischen Bevölkerung, Politik und Medien geht?

00:19:53: Also hier ist, finde ich, auch erst einmal wichtig festzuhalten, dass es viele Themen gibt in Deutschland, die gar nicht so sehr polarisieren, wie man das vermeintlich denken

00:20:01: könnte.

00:20:02: Aber es gibt sogenannte Trigger-Themen aktuell in Deutschland, die die Gesellschaft sehr stark polarisieren.

00:20:07: Und das sind einmal so große Themen wie Migration.

00:20:10: Das hat man ja auch im Wahlkampf beobachten können.

00:20:12: Aber das sind auch ganz spezifische Themen wie Gendern oder Lastenräder, die zu sehr aufgewühlten Debatten führen können.

00:20:20: Wir haben uns in unserer Studie das Thema Klimapolitik angeschaut und was wir hier sehen ist, dass eine große Einigkeit vorherrscht hinsichtlich der Existenz des Klimawandels,

00:20:32: aber unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Frage nach mehr oder weniger Klimaschutz.

00:20:37: Wir also hier eine stärkere Polarisierung haben, aber auch hier haben wir keine gleichgroßen Lager, die sich gegenüberstehen, sondern etwa 50 Prozent, die für mehr

00:20:47: Klimaschutz sind, und etwa 20 Prozent gegen

00:20:50: mehr Klimaschutz.

00:20:52: Und was wir aber sehen, ist, dass sowohl Bevölkerung als auch Politik und Medien die Größe des Kontralagers deutlich überschätzen.

00:21:01: Das untersuchen wir unter dem Stichwort wahrgenommene Polarisierung.

00:21:05: Das heißt, hier geht es darum, wie diese drei Gruppen, wie stark diese drei Gruppen die Polarisierung in der Bevölkerung wahrnehmen und können hier auch Studien aus dem

00:21:15: US-Kontext bestätigen, die zeigen,

00:21:17: dass die wahrgenommene Polarisierung sehr viel größer ausfällt als die tatsächliche ideologische Polarisierung.

00:21:23: Und das kann natürlich ziemlich schwerwiegende Konsequenzen haben, einmal für die wiederum tatsächliche Polarisierung, aber auch für beispielsweise Folgen von Responsivität von

00:21:34: Politik und Medien, weil es natürlich ein Unterschied macht, je nachdem welche Politik man betreibt, für welche Mehrheitspositionen in der Gesellschaft vorherrschen.

00:21:46: Ich finde das gerade total sympathisch, mir, also mir fällt gerade auf bei ganz vielen Punkten, die Sie jetzt angesprochen haben, sagen Sie eigentlich, das ist eigentlich gar

00:21:55: nicht so schlimm, wie wir es von außen immer erwarten.

00:21:58: Bei dem Thema, vorhin hatten Sie es auch schon erwähnt, beim Vertrauen allgemein und gerade während der Pandemie eigentlich schon ganz gut war.

00:22:05: Das ist so positiv eigentlich, dass die Zahlen gegen das sprechen, wie wir uns so kollektiv wahrnehmen,

00:22:11: finde ich sehr schön.

00:22:13: Ja, das ist aktuell in den Debatten sehr, sehr häufig zu beobachten und ist sicherlich ein gewisser Effekt, der durch soziale Medien entsteht.

00:22:21: Wir wissen aus Studien, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Deutschen sich überhaupt regelmäßig in sozialen Medien aktiv beteiligen, also durch Kommentare und so weiter,

00:22:36: und dass dies vor allem eher unzufriedene Personen sind

00:22:41: und überhaupt kein repräsentatives Abbild der Bevölkerung sind.

00:22:46: Sie erhalten aber relativ - sowohl im Journalismus als auch in der Politik - sehr viel Aufmerksamkeit.

00:22:54: Und das könnte ein Erklärungsansatz dafür sein, dass man in der Debatte eher einen negativen Eindruck bekommt.

00:23:03: Liegt auch daran, dass Journalismus natürlich einen sehr, sehr starken Fokus auf negative Themen hat,

00:23:10: auf Krisen, Konflikte haben einen höheren Nachrichtenwert und erhalten dadurch mehr Aufmerksamkeit.

00:23:16: Es ist aber auch wichtig festzuhalten, dass wir natürlich Probleme haben.

00:23:19: Also das soll vielleicht auch nicht falsch rüber kommen.

00:23:21: Es gibt natürlich eben die Gruppen, die wir angesprochen haben, die sich auch, was wir in den Studien auch sehen, in der öffentlichen Debatte überhaupt nicht repräsentiert fühlen,

00:23:34: die sich also sowohl

00:23:35: von Medien als auch von der Politik sich nicht wahrgenommen fühlen, entsprechend niedriges Vertrauen haben und mit dem man sich natürlich auch auseinandersetzen muss.

00:23:47: Ja, in seiner Komplexität dieses Themas.

00:23:51: Sie forschen jetzt schon seit 2008 und da habe ich mich gefragt, welche Fragen faszinieren Sie bei Ihrer Arbeit denn immer am meisten?

00:23:59: Also was sich so ein bisschen durchzieht ist, dass mich neue unbeantwortete Fragen faszinieren, was bei uns im Fach natürlich relativ einfach ist, weil der digitale

00:24:10: Medienwandel so schnell voranschreitet, dass wir so starke Veränderungen haben, dass wir dauernd neue bisher noch nicht beantwortete Forschungsfragen haben.

00:24:20: Ich habe mich ganz am Anfang in meiner Magisterarbeit noch mit dem Thema Cybermobbing beschäftigt.

00:24:24: Das war damals ein ganz

00:24:26: neues Thema und auch das Thema, als ich mit dem Thema Vertrauen und Rechtspopulismus angefangen habe, war das damals auch gerade erst am Aufkommen.

00:24:38: Mich interessiert natürlich vor allem auch, wie diese Veränderungen im Mediensystem für Folgen für Meinungsbildungsprozesse, für den demokratischen Diskurs haben,

00:24:48: beispielsweise jetzt auch die Macht sozialer Plattformen und vielleicht noch so als zweiten Punkt, was

00:24:56: sich auch ein bisschen durchzieht, ist, dass ich es besonders spannend finde, Einstellungen, Verhaltensweisen von Jugendlichen, von jungen Erwachsenen sich anzuschauen,

00:25:06: da man hier ja doch so bisschen Trends sehen kann, wie sich Mediennutzung beispielsweise verändert.

00:25:17: Beim Thema Nachrichtenkonsum unter Jugendlichen lohnt sich ein genauer Blick auf aktuelle Entwicklungen.

00:25:24: Professor Fawzi hat herausgefunden, dass jugendliche Nachrichten zunehmend ungeplant und eher beiläufig konsumieren, also gewissermaßen zwischendurch.

00:25:34: Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von "News Snacking".

00:25:39: Ein weiterer auffälliger Trend – immer weniger Jugendliche nutzen klassische News-Apps.

00:25:45: Stattdessen informieren sie sich über soziale Medien.

00:25:48: Dabei suchen sie nicht aktiv nach Nachrichten, sondern verlassen sich darauf, nebenbei über das aktuelle Geschehen in sozialen Medien informiert zu werden.

00:25:58: Diese Erwartungshaltung, dass relevante Informationen beispielsweise durch Posts von Freunden in den Feed gespült werden, wird als "News-finds-me-Perception" bezeichnet.

00:26:10: Professor Fawzi bewertet diese Entwicklung kritisch,

00:26:13: da der Nachrichtenkonsum dadurch sehr stark von den Algorithmen der Plattformen beeinflusst wird.

00:26:19: Gleichzeitig konkurrieren Nachrichteninhalte auf Plattformen wie Instagram oder TikTok zunehmend mit reinen Unterhaltungskanälen, oft in ähnlichen Formaten und drängen

00:26:29: politische Inhalte in den Hintergrund.

00:26:33: Hinzu kommt, einige junge Menschen orientieren sich bei der Bewertung von Glaubwürdigkeit eher an einer hohen Reichweite oder professioneller Aufmachung.

00:26:43: Beides Kriterien, die wenig über die tatsächliche Verlässlichkeit der Inhalte aussagen.

00:26:55: Die Wissenschaft genießt nach Ihren eigenen Ergebnissen ja auch von allen Institutionen das größte Vertrauen.

00:27:01: Also im Vergleich zum Journalismus, zu Politik, auch zu verschiedenen Formen von Medien, wie Sie ja auch schon angesprochen haben, haben Sie selbst den Eindruck, dass Ihre eigene

00:27:11: Arbeit einen positiven oder hilfreichen Einfluss dann tatsächlich auf diese öffentliche Diskussion haben kann?

00:27:16: Gerade wo wir jetzt auch angesprochen haben, dass da eigentlich so positive Ergebnisse rauskommen können.

00:27:23: Wir versuchen das, also eben gerade in solchen Podcasts, in denen wir auch in Redaktionen gehen und dort unsere Ergebnisse präsentieren, was ich in letzter Zeit öfters gemacht

00:27:35: habe.

00:27:35: Aber der Einschluss ist sicherlich zu gering.

00:27:38: Also wir müssen da auf jeden Fall besser werden, weil es eben viele aktuelle Debatten gibt um Echo-Kammern, Filterblasen, Wirkung von Desinformationen und eben auch das Thema

00:27:48: Vertrauen, die doch etwas abgekoppelt von der tatsächlichen empirischen

00:27:52: Evidenz sind. Und unsere Aufgabe ist da sicherlich, mehr Fakten und mehr Umsicht und auch Differenzierung in die öffentlichen Debatte zu bringen.

00:28:02: Auf der anderen Seite weisen wir aber auch deutlich auf Gefahren hin, zum Beispiel durch digitale Medien für die Demokratie.

00:28:09: Wichtig ist hier, wir fordern beispielsweise bessere und stärker institutionalisierte Medienbildung in Deutschland und wir versuchen natürlich, auch im Hinblick auf die AfD den

00:28:19: Menschen zu erklären, was es für unsere Gesellschaft

00:28:21: bedeutet, wenn eine Partei, die unsere Grundwerte, Presse- und Meinungsfreiheit und aber auch unsere Wissenschaftsfreiheit angreift, an die Regierung kommen würde. Und wir

00:28:31: unterbreiten Vorschläge, wie der öffentliche Diskurs gestaltet sein kann, der demokratischen Mehrheit, die wir in Deutschland ja haben, mehr Gehör zu verschaffen.

00:28:40: Würden Sie sagen, dass die Wissenschaft dieses hohe Maß an Vertrauen auch verdient?

00:28:45: Ja, das Vertrauen ist, denke ich, auf jeden Fall gerechtfertigt.

00:28:49: Wissenschaft arbeitet nach anerkannten Methoden, nach wissenschaftlichen Methoden, aber es ist natürlich auch hier wichtig, mit einer gewissen skeptischen Grundhaltung zu sein, weil

00:29:00: natürlich ist auch Wissenschaft sich nicht immer einig.

00:29:03: Unser Ziel ist es, nach Wahrheiten zu suchen, aber auch hier allein durch die angesprochenen Veränderungen, von denen wir es gerade hatten, verändert sich

00:29:14: die Datenlage beispielsweise und das haben wir auch gerade in der Corona-Pandemie ganz deutlich gesehen.

00:29:23: Aber das Grundvertrauen ist natürlich wichtig in die Wissenschaft, da sie einfach eine zentrale Institution in der Demokratie ist und wir sehen auch in vielen westlichen

00:29:34: Ländern, dass Wissenschaft versucht wird anzugreifen und zu diskreditieren, häufig mit einer bestimmten

00:29:41: politischen Agenda, um Unsicherheit in der Bevölkerung zu schaffen.

00:29:47: Und das ist natürlich hoch problematisch, wenn wir uns nicht mehr einig darüber sind, was sind eigentlich Fakten.

00:29:54: Was ich da positiv zu verlieren würde -

00:29:56: ich spreche relativ häufig mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern -

00:30:00: gerade für mich ist es häufig auffällig, dass es meistens Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind, die sagen, dazu kann ich nichts sagen, weil ich es nicht weiß.

00:30:09: Und das finde ich immer sehr schön, bei Ihnen als Institution, sage ich jetzt mal, bei der Wissenschaft als Institution eben da auch unterschieden wird,

00:30:17: das weiß ich nicht und das weiß ich schon.

00:30:19: Das gehört natürlich zu unserem Job dazu und auch welche Unterschiede es innerhalb verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen gibt,

00:30:28: ist ja auch ganz spannend.

00:30:29: Es ist ja die Frage an, was denkt man eigentlich bei Wissenschaft?

00:30:32: Da ist es natürlich schon ein sehr starker Fokus auf Medizin vor allem, wenn Menschen nach Vertrauen gefragt werden.

00:30:40: Wir wollten uns heute ja vor allem mit Vertrauen und Missvertrauen beschäftigen.

00:30:45: Gibt es Aspekte Ihrer Forschung, bei denen Sie diesbezüglich immer wieder überrascht sind, wie sehr wir etwa vertrauen oder auch nicht vertrauen?

00:30:54: Vielleicht kann ich auf den Punkt zurückkommen, den ich vorhin am Anfang angesprochen habe, wo es um das Bild, das mediale und politische Eliten von der Bevölkerung haben,

00:31:05: das haben wir jetzt erstmals untersucht.

00:31:08: Deswegen ist da jetzt kein Langzeitvergleich möglich.

00:31:11: Aber was ich hier schon wirklich interessant und überraschend fand, wie hoch der Anteil in Politik und Journalismus ist, die einen relativ negativen Eindruck von der Bevölkerung

00:31:23: haben.

00:31:24: Also die sagen, der Großteil oder der typische Bürger und Bürgerin interessiert sich nicht für Politik, will im Alltag überhaupt nichts mit Politik zu tun haben, zeigt sich auch

00:31:36: eher intolerant gegenüber seinen Mitmenschen, ist irgendwie auch nicht in der Lage, glaubwürdige, unglaubwürdige Quellen zu erkennen.

00:31:45: Das sind so die Dimensionen, die wir da abgefragt haben, und da haben wir relativ hohe, finde ich, Zustimmung in

00:31:54: sowohl Politik als auch Medien.

00:31:56: Das hat mich schon überrascht.

00:31:59: Was wir hier auch sehen, ist, dass die das Gefühl haben, ihre Arbeit wird nicht gewertschätzt von der Bevölkerung.

00:32:08: Das spricht ja schon auch das Thema Vertrauen an.

00:32:11: Also, dass sie sich auch, das haben wir auch abgefragt,

00:32:14: sie wünschen sich auch mehr Vertrauen von der Bevölkerung oder haben den Eindruck, sie hätten mehr Vertrauen verdient.

00:32:21: Auf der anderen Seite ist aber auch,

00:32:23: zeigt sich eben auch, dass durch diese geringe wahrgenommene Wertschätzung und dieses negative Eindruck von der Bevölkerung wir uns die Frage stellen müssen, was das für den

00:32:34: Job Journalistinnen und Journalistinnen und Politiker und Politikerinnen bedeutet.

00:32:40: Wir haben auch PolitikerInnen viele auf Kommunalebene befragt.

00:32:44: Das sind viele, die ehrenamtlich arbeiten.

00:32:47: Das heißt, es sind sehr hohe Belastungen, sehr viel Engagement erforderlich.

00:32:51: Und wenn man dann dafür sehr

00:32:53: stark nur unter öffentlicher Kritik steht, sehr stark Hassrede ausgesetzt ist und keine Wertschätzung erfährt, ist natürlich die Frage, wer hat eigentlich noch Lust auf diesen

00:33:05: Job?

00:33:06: Und das zeigt sich natürlich auch im Journalismus, wo wir sehr prekäre Arbeitsbedingungen haben, sehr hohe Belastungen haben und man dann das Gefühl hat, man wird von seinem

00:33:16: Publikum dafür gar nicht groß gewertschätzt.

00:33:25: In ihrer jährlich erscheinenden Rangliste der Pressefreiheit untersucht die Nicht-Regierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" den Zustand der Pressefreiheit in 180

00:33:37: Ländern.

00:33:38: In ihrem neuesten Bericht von 2024 landet Deutschland auf dem elften Platz.

00:33:44: Obwohl das Land im internationalen Vergleich also gut dasteht, erleben ReporterInnen eine zunehmende Pressefeindlichkeit

00:33:52: und ein verengtes Verständnis von Pressefreiheit.

00:33:56: Einige BürgerInnen sehen Berichterstattung, die nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammt, mittlerweile als Gegner an.

00:34:04: Ein starker Einflussfaktor für die Platzierung waren außerdem Anfeindungen und Übergriffe in Bezug auf Berichterstattung zum Nahostkonflikt.

00:34:14: Angriffe auf ReporterInnen haben sich im Vergleich zu 2023 auf 89 Fälle mehr als verdoppelt.

00:34:22: Auch nicht umgesetzte Gesetzgebungen, die den Schutz vor Hassrede, Desinformation und abnehmender journalistischer Vielfalt verbessern würden, wurden kritisiert.

00:34:37: Vielleicht auch noch anknüpfend, die

00:34:40: Rolle der Medien in der Demokratie, was wir auch untersucht haben, welche Erwartungen das Publikum eigentlich an Journalismus hat in der Demokratie und haben uns gefragt,

00:34:53: ob das Publikum von den Medien eine stärkere Positionierung erwartet, die Demokratie zu verteidigen aktiv.

00:35:02: Und hier sehen wir, dass ein sehr, sehr hoher Anteil der Bevölkerung von den Medien erwartet, aber unzufrieden ist, was dann die tatsächliche Leistung der Medien angeht.

00:35:13: Das heißt, und das wird im Journalismus meiner Ansicht nach häufig auch falsch wahrgenommen, es gibt einen sehr, sehr großen Teil der Bevölkerung, der möchte,

00:35:22: dass Medien sich stärker positionieren, mehr sich für die Verteidigung der Demokratie einsetzen.

00:35:28: Und der Teil, die das nicht möchten, das sind vor allem Anhänger und Anhängerinnen der AfD, Personen mit antidemokratischen Einstellungen.

00:35:37: Das ist ein deutlich kleiner Teil.

00:35:41: Und das finde ich auch wieder spannend, hier aufzuzeigen, dass die große Mehrheit eine andere Position vertritt.

00:35:51: Vielen Dank für dieses Schlusswort und vor allem vielen Dank für Ihre wertvolle Zeit, Professorin Fawzi.

00:35:57: Vielen Dank Ihnen, ich freue mich, dass das geklappt hat.

00:36:02: Das war mein Gespräch mit Professorin Nayla Fawzi.

00:36:05: In dieser Folge wollte ich herausfinden, wie es in Deutschland um unser gegenseitiges Vertrauen in Bevölkerung, Politik und Medien bestellt ist.

00:36:15: Dabei haben wir über viele verschiedene Aspekte dieser Themen gesprochen.

00:36:19: Drei davon sind mir persönlich aber besonders im Gedächtnis geblieben.

00:36:24: Erstens, das Vertrauen in Institutionen, wie Medien in Deutschland, ist größer als weithin angenommen.

00:36:31: Wir scheinen also kollektiv ein eher pessimistisches Bild von gegenseitigem Vertrauen zu haben.

00:36:37: Zweitens, trotzdem schaffen Populismus und Extremismus es immer wieder, Misstrauen zwischen Menschen zu sähen.

00:36:46: Das erreichen sie auch dadurch, indem Narrative wie "Wir gegen die anderen" aufgebaut werden.

00:36:52: Diese Gruppenbildung scheint ein wesentlicher Faktor für gegenseitiges Misstrauen zu sein.

00:36:58: Drittens,

00:36:59: im Internet ist nicht alles, wie es scheint.

00:37:02: Extreme Kommentare auf Social Media werden meist von einer Minderheit verfasst und alternative Medien erreichen mit ihren Inhalten nur einen kleinen Teil der Bevölkerung.

00:37:12: Das Gespräch mit Professorin Fawzi hat mich darin bestärkt, allen Menschen in unserer Gesellschaft mit mehr Wertschätzung und Vertrauen zu begegnen.

00:37:20: Eine gesunde Skepsis ist dabei aber nie eine schlechte Idee, sich selbstbestimmt und kompetent in der heutigen

00:37:27: digitalen Medienlandschaft zurechtzufinden.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.